Freitag, 15. Juli 2011

Realistische Gefühle

Helden stehen in der ersten Reihe. Helden kennen keine Furcht. Helden weichen nie zurück. Diese Klischees findet man nicht selten in Fantasy-Rollenspielen. Doch dies läuft einem anderen Ziel des Pen & Paper entgegen: der Darstellung glaubhafter Charaktere. Dabei sind vor allem ganz menschliche Züge und Gefühle hilfreich: Zweifel, Furcht, Unentschlossenheit, Trauer. Wer diese im Rollenspiel berücksichtigt, erhöht die Glaubhaftigkeit und gibt dem Spielleiter gleichzeitig wertvolle Hinweise auf die Wirkung des Plots auf die Charaktere. Nur übertreiben sollte man es sicher nicht. Helden überwinden ihre Zweifel und Furcht und müssen nicht für jede Handlung vom Spielleiter getreten werden ...

Ein interessantes Beispiel gibt das Computerspiel Fable III (Lionhead Studios, 2011). Hier zeigen die Charaktere deutlich ihre Schwächen. Der Protagonist fürchtet sich vor seinem grausamen Bruder, den König, und nimmt nur zögerlich und unter Anleitung das Schwert zur Rebellion auf. In einer privaten Szene sieht man Ihn sogar zwischen Wut und Ratlosigkeit in seinem Zimmer. Sein Diener, der eher komische Züge trägt, kauert sich vor Furcht bei der Begegnung mit Fledermäusen hinter einen Stein. Auch als man durch ein magisches Portal in die Berge tritt, bemerkt ein Begleiter direkt die Kälte und lässt nach wärmerer Kleidung suchen. Diese Details machen die Welt glaubhafter und tragen sehr zur stimmigen Atmosphäre bei.

Aber sind nur Charaktere fühlende Wesen? Was ist mit Feinden und Antagonisten? Auch in guten Rollenspielrunden entsprechen diese nicht selten emotionslosen Klischees. Was treibt einen Feind an? Wofür würde er bis zum letzten kämpfen? Welche Gewissensgrenzen hat ein Schwarzmagier? Wann flieht eine Horde Orks? Folgt ein Bösewicht stets einem fiesen Meisterplan oder hat nicht auch er Zweifel und trifft manchmal irrationale Entscheidungen? Emotionen bei den Spielern entgegengesetzten NSCs beleben ein Rollenspiel und machen Konflikte und selbst Kampfsituationen lebendiger und glaubhafter.


Mittwoch, 6. Juli 2011

Einmal König sein

Rollenspieler stehen oft vor ganz konkreten Herausforderungen: die verschlossene Tür, das nächste Monster, das knifflige Rätsel. Doch die wenigsten Entscheidungen im wirklichen Leben haben unmittelbare Konsequenzen. Vorausdenken wird vor allem in Verantwortungspositionen erfordert, etwa vom klassischen Bürochef. Diese 'andere' Art der Herausforderung lässt sich gut in ein Spiel übertragen, wie das moderne Computerspiele Fable III (Lionhead Studios, 2011) aktuell beweist:

In Fable III schlüpft der Held in die Rolle eines Königsbruders, der seinen garstigen Verwandten zum Wohl des Volkes vom Thron stößt, nur um herauszufinden, dass das Regieren nicht so leicht ist, wie gedacht. Ständig fordert das Spiel Entscheidungen, deren Konsequenzen nur erahnt werden können. Und das Spiel reagiert gut auf die Wahl, die der Spieler trifft. Wie entscheidet er in einem Rechtsfall? Was tut er gegen Kriminalität? Opfert er seine eigene große Liebe und verschont damit eine ganze Familie unschuldiger Bauern? Am Ende kann es passieren, dass der Spieler nach dem Sieg über den unvermeidlichen Endgegner König über ein menschenleeres Ödland ist, dessen Einwohner er selbst auf dem Gewissen hat.

Ein solches Szenario ist leicht auf Rollenspiele übertragbar. Spieler in Machtpositionen stehen vor weit schwierigeren Aufgaben; für den Spielleiter ist es einfacher knifflige Entscheidungen zu fordern. Doch es muss nicht einmal die Königskrone sein. Auch im klassischen Fantasy-Abenteuer-Rollenspiel können Spieler immer wieder in solche Situationen geraten und zwar immer dann, wenn die eigentlichen Verantwortlichen tot oder unfähig sind und einfache Leute als letzte Hilfe zu den "Helden" schauen. Solche Situationen sind ein Gewinn für ernsthaftes Rollenspiel, wenn der Spielleiter es vermeidet einzelne Optionen als 'richtig' oder 'falsch' zu suggerieren. Dann sind die Spieler gefragt. Diskussionen über ein Dilemma in der Rolle können Charakteren ganz neue Tiefe verleihen und neue Sympathien innerhalb der Helden-Gruppe erzeugen. Nur übertreiben sollte man es damit nicht. Wer alle zwei Minuten über das Schicksal eines Königreiches entschieden werden muss, nimmt auch die beste Heldengruppe reißaus ...

Angst im Dunkeln?

Nach einer stressigen Woche gab es endlich wieder Rollenspiel. Spontan kamen wir mit ein paar Freunden zusammen und spielten einen Abend (One-Shot) Little Fears. Der Zeit geschuldet wurden die Charaktere etwas mehr Klischee als beabsichtigt - aber die Chemie zwischen den Spielern stimmte. Es gibt nichts so zusammenschweißendes, wie die Rollenspiel-Erfahrung als Kinder von übernatürlichen Monster verfolgt zu werden, während die Erwachsenen einem nicht glauben und das für Kinderfantasie halten.

Der Plot in Kürze:
"Henning Sebastian Berger und sein Bruder Jan Christian, beide aus gut bürgerlichem Haus, wurden in den Ferien nach Eckernförde zu ihrer verschrobenen Tante Agnes geschickt. Dort trafen sie auf Johann und Ulrike, waschechte Landkinder und erkundeten mit ihnen die umliegenden Moore. Durch den Hund der Familie fanden die Kinder selbst eine gut erhaltene Leiche und meldeten das erschreckende Erlebnis sogleich den Eltern. Kurze Zeit später wimmelte es in Eckernförde von wichtigtuenden Erwachsenen und die Leiche wurde in ein Museum gebracht. Eine Kindmörderin soll es gewesen sein, die durchs Moor getrieben wurde. Für die Kinder jedoch begann jede Nacht das pure Grauen, als eine schwarze Gestalt um ihr Haus schlich. Niemand glaubte ihnen, auch dann nicht, als das Radio davon berichtete, dass die Leiche niemals im Museum angekommen sei. Henning, Johann und Co. waren sich nun sicher, dass die Moorleiche gekommen war um sich ein weiteres Kind zu holen. Doch was tun? Erstmal beieinander übernachten und kindliche Pläne schmieden. Doch das alte morsche Fenster des Hauses gab nach und gewährte dem Schrecken Einlass. Die Kinder flohen vor der Moorleiche Richtung Keller, als der sonst tapfere Johann, vor Schreck erstarrt, von dem Monster gepackt und vor den Augen der anderen Kinder ins Moor gezogen wurde. Am nächsten Morgen blieb er, wie die Moorleiche, verschwunden ... "

Unsere Spielleiterin bemühte sich mit Anspielungen auf die Moorleiche von Windeby von 1952 eine realistische Atmosphäre. Die Besonderheit des Spielabends lag aber in einem technischen Detail: dem Tag und Nachtwechsel, der vom Ein- und Ausschalten des Lichts im Zimmer der Spieler begleitet wurde. Tagsüber versuchten die Kinder mehr über die Moorleiche herauszufinden, während dieselbe Nachts ums Haus zog. Durch den tatsächlichen Lichtwechsel wurde der Unterschied für die Spieler auch visuell Fassbar und unterstützte die Grundstimmung des Spiels die fließend von kindlichem Idyll in Horror übergeht ("Nachts, da kommen die Monster."). Das unglückliche Ende war angemessen und passiert bei Little Fears weit öfter, als viele glauben.

Sonntag, 3. Juli 2011

'Rassen' im Rollenspiel

Die Serie Extra Credits vom großartigen Escapist-Magazine hat eine neue Folge
und der Inhalt betrifft ein Thema, das die meisten Rollenspiele direkt betrifft:
'Rassen' im Spiel. Obwohl es eigentlich um Computerspiele geht, kann man doch einige
gute Ansätze daraus ziehen. Schaut einfach mal rein ...












Hier gehts zum Video ...

Mittwoch, 29. Juni 2011

Entscheidungen mit Bauchschmerzen

Rollenspiel lebt von Entscheidungen. Die Spieler treffen Entscheidungen für ihre Charaktere und nehmen so direkten Einfluss auf die Geschichte. Je spürbarer die Auswirkungen, je kniffliger die Entscheidung, desto mehr Spaß für die Spieler. Sollte die Gruppe ein magisches Artefakt behalten um gegen ihre Feinde zu kämpfen, oder dem rechtmäßigen Besitzer zurückgeben? Können die Charaktere Einfluss darauf nehmen, wer der neue König wird? Besonders das Erzeugen von gleichwertigen Optionen, das abwägen von Nutzen und Risiko lässt die Wahl zu einer Herausforderung werden. Was aber, wenn die Wahl ein tödliches Dilemma ohne Ausweg ist?

"Divinity 2: Ego Draconis" (Pc-Spiel, dtp-entertainment, 2010) zwingt den Spieler zu einer grausamen Entscheidung. Als neuer Herr einer Insel muss er vier von acht Personen auswählen. Der unbesiegbare Geist der Insel erklärt es ihm: Seine 'Erwählten' überleben, die anderen sterben. Wählt der Spieler nicht, tötet der Geist willkürlich. Aber es kommt noch schlimmer: Die Personen wissen um die Entscheidung. Sie beknien den Helden, preisen die eigenen Vorzüge an und erzählen bereitwillig von ihrer Heimat und Familie. "Nur ein Haufen Pixel"? Die Fantasie des Spielers führt unweigerlich zu anderen Fragen: "Was, wenn ich wirklich vor so einer Entscheidung stünde?" "Welche Kritierien legt man an um ein solches Dilemma zu entscheiden?" "Darf man überhaupt diese Wahl treffen?" Das Problem ist hier die Alternativlosigkeit der tödlichen Wahl. Dem Spieler wird eine moralische Last aufgebürdet, die er nicht umgehen kann. Sensiblere Spieler könnten mit einer vergleichbaren Situation im Pen'n'Paper leicht überfordert sein. Überschreitet ein solcher Situationszwang den guten Umgang mit den Spielern? Oder sind gerade solche Grenzerfahrungen wertvoll für ein Rollenspiel, weil sie zu tiefgründigeren Überlegungen führen, die wirklich etwas bedeuten? Heiterer Spielspaß sieht jedenfalls anders aus.

Montag, 27. Juni 2011

Amnesie mal anders ...

Gedächtnisverlust ist eine der einfachsten Einstieg für eine Geschichte. Der Hintergrund wird ausgeblendet und erklärt sich nach und nach von selbst. Damit wird dem Spieler abgenommen sich vorher über das Setting zu informieren und der Spielleiter kann seine Ressourcen sofort in die Geschichte selbst stecken. Amnesie bildet die Eingewöhnungsphase in ein neues Rollenspiel elegant im Hintergrund ab (unterstützt damit die Immersion in den ersten Spielminuten). Außerdem entsteht direkt ein übergeordnetes Ziel des Charakters, der natürlich sein Gedächtnis wiederfinden will. Doch 'elegant' ist Gedächtnisverlust lange schon nicht mehr. Hollywood sei dank gilt diese Methode längst als abgedroschen. Alles schon gehabt, alles schon gesehen. Aber kann man Amnesie wirklich nichts neues mehr abgewinnen? Ein Gegenbeispiel:



























Im Computerspiel "Divinity 2: Ego Draconis" (dtp-entertainment, 2010) beginnt der Charakter des Spielers wie so oft 'in media res' ohne genau zu wissen, was passiert. Der Trick besteht darin, dass der Charakter in der Einführung freiwillig auf seine Erinnerung verzichtet um besondere Fähigkeiten (besonderes Wissen gegen die Feinde) erlernen zu können. Die Einführungsszene mit der Entscheidung wird zum letzten erinnerbaren Moment des früheren Lebens. Die Amnesie ist damit keine störende 'Behinderung' mehr, sondern ein freiwillig eingetauschter Preis. Besser noch: Erst die Amnesie macht den Protagonisten zum vollwertigen Mitglied seiner Organisation und bleibt Thema in Gesprächen über das Spiel. Das löst nicht die übliche Erinnerungssuche aus; sondern der Gedächtnisverlust wird zum wichtigen Identifikationsmerkmal des Charakters.

Sonntag, 26. Juni 2011

Nur ein Spiel, eine Rollenspiel-Doku

Ein interessanter Film über Rollenspiel aus dem Jahr 2010. Eine Dokumentation
mit erfrischend wenigen Klischees.














Hier gehts zum Film!

Interessant auch die Erklärung des Regisseurs Michael Schilhansl auf der dazugehörigen Facebookseite. Gibt einen guten Einblick in die Verbohrtheit der Medien über das Thema:

"Warum läuft der Film nicht im Fernsehen? Damn - i tried really hard. Als ich vor ein paar Jahren die ersten Ideen für den Film hatte, begab ich mich brav zu Vorgesprächen mit Fernsehredakteuren. Die Gespräche verliefen abgekürzt immer so: "Ah sie wollen was über Computerspieler machen. Wollen sie es mehr unter dem Suchtaspekt betrachten, oder mehr unter dem Gewaltaspekt?" - "Ähm - Nein, ich wollte die zunehmende Popularität und Faszination des Spielens erklären." "Achso, also, wenn das nicht unter dem Thema Amok oder Sucht läuft, weiß ich nicht, ob das wer sehen will."

Nach einiger Zeit beschloß ich den Film selbst zu produzieren. Mit dem fertigen Film bin ich dann zu etlichen Fernsehsendern gegangen. Die Dialoge verliefen dann meist so: "Ah - Computerspiele. Da machen wir gerade eine eigene Produktion. Die zeigt (Sender X) die Suchtgefahren der neuen Medien, oder (Sender Y), wie Computerspiele die Gewaltbereitschaft von Jugendlichen erhöhen...Experten...Verwahrlosung...AMOK!!!""

MITspielen oder BEspieltwerden?

Häufig kommt es vor, dass Spielleiter ihr Bestes geben und sich am Ende doch ausgebrannt fühlen. "Es kommt zu wenig zurück.", heisst es dann nicht selten. Aber was soll denn da überhaupt zurück kommen? Haben die Spieler den Plot bestritten, müsste doch alles gut sein, oder? Nicht ganz. Rollenspiel als Gemeinschaftserlebnis ist kein Fernseher bei dem man mit einem Klick eine nette Abendunterhaltung bestellen kann. Der Spielleiter bespielt die Spieler nicht, er spielt mit ihnen. Er hat ein großes Interesse daran, dass alle Spaß haben. Dabei ist es optimal, wenn sich ein dynamisches Gefüge ergibt, welches den Spielleiter zu weiteren Ideen bringt, die er vielleicht ohne diesen Input nicht hätte. Das ist das, was 'zurückkommen soll.' Rollenspiel als festes 'Script', das heruntergespielt wird, funktioniert nie lange gut.



























Wie aber kann und sollte ein Spieler etwas zurück geben? Texte sind eine Möglichkeit, solange diese einen Bereich des Spiels betreffen, der weitgehend von der Handlung isoliert ist, also z.B. den Hintergrund des Charakters ausgestalten. Der Spielleiter erkennt am Hintergrundtext, dass der Spieler über seinen Charakter nachdenkt und sich einbringen will. Meist enthalten solche Texte wertvolle Informationen, die wiederum den Plot beeinflussen können. Ein Brief aus der Heimat? Ein lange verschollener alter Freund? Wunderbar. Schon rast die Spielleiterfantasie. Auch kurze Rezensionen sind für Spielleiter hilfreich. Sie helfen Fehler oder Unstimmigkeiten im gespielten Abend zu erkennen und vielleicht das nächste mal auf die Wünsche der Gruppe besser einzugehen. Dabei sollte der Ton zwar ehrlich, darf aber auf keinen Fall Anklagend sein. Eine ganz andere Möglichkeit, die weit mehr Erfahrung benötigt, ist Feedback direkt und dezent ins Spiel einfließen zu lassen:

Die Gruppe kommt schon wieder in eine fremde Stadt
Spielleiter: Die Gassen sind voll fremder Gesichter.
Spieler: Verdammt, wir haben keinerlei Anhaltspunkt. Erkenne ich nicht vielleicht zufällig eines der Gesichter?
Spielleiter: Da ist tatsächlich eines, dass dir bekannt vorkommt. Es gehört einem alten Freund, den du aus den Augen verloren hast.
Spieler: Ich geh' hin, begrüße ihn und erwähne beiläufig, dass wir noch keine Bleibe haben.
Spielleiter: Nach einem kurzen Gespräch läd er dich und deine Begleiter für einen Abend in sein Haus ein.

Bei diesem Beispiel funktioniert ein kreatives Zusammenspiel zwischen Spielleiter und Spieler . Der Spieler bietet eine Lösung des Dilemmas an (keine Information, neue Stadt) und formuliert das Angebot geschickt als Frage. Der Spielleiter geht darauf ein und entwickelt auf der Idee des Spielers eine Lösung und wahrscheinlich gleich einen neuen Plotstrang. Was hat es mit dem Freund auf sich? Was hat er erlebt? Was weiß er über die Machenschaften in der Stadt? Doch für so ein kreatives Zusammenspiel ist neben Einfallsreichtum vor allem gegenseitiges Vertrauen nötig.

Hallo Welt

/create blog
/say hi everybody

Hallo da draussen.
An dieser Stelle entsteht in der nächsten Zeit ein besonderes Blog zum neuen Rollenspiel BASIC. Ihr könnt hier Infos, Rezensionen und Anregungen rund um dieses Hobby finden. Mein Name ist Kelen, Freier Autor, Schreiber und Spielleiter. Nett Euch kennenzulernen